Inhalt anspringen

Niederzier

Auf ein Wort

Rede des Bürgermeisters zum Haushaltsentwurf 2023 der Gemeinde Niederzier

Liebe Niederziererinnen und Niederzierer,

in der letzten Ratssitzung am Donnerstag, dem 29.09.2022 stand unter anderem die Einbringung des Haushalts für das Jahr 2023 auf der Tagesordnung. 

Meine Rede zur Haushaltseinbringung möchte ich allen Bürgerinnen und Bürgern folgend zur Kenntnis bringen:

„Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, 
verehrte Ratskolleginnen und Ratskollegen!

Was für Schlagzeilen:
· Der Haushalt der Gemeinde Niederzier für das Jahr 2023 wird mit einem Jahresüberschuss von über 1 Million Euro eingebracht!

· Keine Steuererhöhungen in 2023 geplant!

So kann der Haushaltsentwurf des Jahres 2023, den ich heute hier einbringe, überschrieben werden. Alle Menschen in der Gemeinde Niederzier wären zufrieden!

Aber geht die allgemeine wirtschaftliche Entwicklung tatsächlich komplett an der Gemeinde Niederzier vorbei?

Das ist selbstverständlich mitnichten der Fall!

Sie erinnern sich ganz sicher daran, dass die Gemeinde Niederzier Anfang des Jahres 2021 einen Nachtragshaushalt aufstellen musste, weil seitens der Gemeinde ein Betrag in Höhe von 11,2 Millionen Euro an Gewerbesteuer und Zinsen an einen Gewerbetreibenden erstattet werden musste. Ich jedenfalls erinnere mich noch sehr gut an diese Hiobsbotschaft, war ich doch erst wenige Monate Bürgermeister unserer Gemeinde.

Was hatte dies zur Folge? Weil die Liquidität/ die Geldmittel nicht vorhanden war(en), musste die Gemeinde Niederzier Darlehen in Höhe von 11,2 Millionen Euro aufnehmen! 
Hier trifft niemanden eine Schuld.

Die Gemeinde hatte durch diese Gewerbesteuerrückzahlung eine sehr geringe Steuerkraft. Das führt wiederum jetzt dazu, dass das Land einmalig hohe Schlüsselzuweisungen in Höhe von über 8 Millionen Euro (ein Plus von 5 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr) im Jahr 2023 an die Gemeinde zahlen wird. Nur durch diese Zahlung ergibt sich der eingangs erwähnte Überschuss im Haushalt 2023 von über 1 Million Euro! Ohne diesen einmaligen Effekt, müsste ich heute hier einen defizitären Haushalt einbringen. 

Aus zahlreichen Gesprächen mit Bürgerinnen und Bürgern aus unserer Gemeinde weiß ich, dass immer noch davon ausgegangen wird, dass die Gemeinde Niederzier schuldenfrei sei. 

Kurzum, ehrlich und nochmals zur Verdeutlichung: Die Gemeinde Niederzier hat Stand heute durch die unverschuldet eingetretene Gewerbesteuerrückzahlung Schulden / Verbindlichkeiten in Höhe von 14 Millionen Euro (einschließlich des bekannten Investitionskredits für das Feuerwehrgerätehaus in der Neuen Mitte).

Ich habe mir dann zur Planung bzw. zur Einbringung des Haushalts für das nächste Jahr folgende Frage gestellt: 

Obwohl die Gemeinde Niederzier aktuell die vorgenannten Kredite in Anspruch nehmen muss, soll es auch im Jahr 2023 keine Erhöhungen der Realsteuerhebesätze geben? 

Gemäß § 77 Abs. 3 der Gemeindeordnung NRW hat die Gemeinde bei der Finanzmittelbeschaffung auf die wirtschaftlichen Kräfte ihrer Abgabenpflichtigen Rücksicht zu nehmen. Die Corona-Pandemie, die Explosion der Energiepreise und die Inflation von nahezu 8 % trifft nicht nur die Gemeinde, sondern vor allem alle Bürgerinnen und Bürger unmittelbar und hart. 

Daher kommt für mich eine zusätzliche Belastung für alle Grundstückseigentümer und alle Gewerbetreibenden nicht in Frage! 

In Vorgesprächen teilte die Mehrheitsfraktion im Rat der Gemeinde Niederzier diese Auffassung und die Oppositionsfraktionen schlossen sich dieser vorgeschlagenen Vorgehensweise ebenfalls an.

Somit sieht der geplante Haushalt vor, dass die Steuersätze bei der Grundsteuer A, der Grundsteuer B sowie auch bei der Gewerbesteuer unverändert bestehen bleiben, obwohl die Gemeinde Niederzier bei der Grundsteuer B mit einem Hebesatz von 580 Punkten den geringsten Steuersatz im gesamten Kreis Düren erhebt. Der Kreisdurchschnitt bei der Grundsteuer B liegt bei 754 Punkten.

Gleichwohl sieht die mittelfristige Finanzplanung (also in den Jahren 2024 bis 2026) moderate Anhebungen der Hebesätze bei der Grundsteuer B vor.

Da wir den Haushalt aber so früh wie schon seit vielen Jahren nicht mehr aufstellen, um schlichtweg früher handlungsfähig zu sein, birgt der Haushaltsentwurf 2023 sicherlich noch die ein oder andere Unsicherheit. So wird es bis zu den Beratungen im Haupt- und Finanzausschuss und bis zur Beschlussfassung des Haushalts im Dezember noch Änderungen geben, die wir Ihnen dann wie gewohnt zuleiten. 

Der Haushaltsentwurf beinhaltet auch noch nicht die von der Landesregierung angedachte Verlängerung und Ausweitung des NKF-COVID-19-Isolierungsgesetzes.

Liebe Zuhörer, gerade erst haben wir die Corona-Pandemie (hoffentlich) einigermaßen überstanden, nun haben wir mit den Auswirkungen des Krieges in der Ukraine zu kämpfen. Die steigenden Energiepreise belasten auch den Haushalt 2023. Die Ansätze für Heizkosten der gemeindlichen Gebäude (ohne Kindergärten) wurden in einem ersten Schritt um über 400.000 Euro erhöht. Diese dürfte aber realistisch gesehen nicht die letzte Erhöhung gewesen sein.

Die zusätzliche Unterbringung von ukrainischen Flüchtlingen stellt die Gemeinde Niederzier zudem und auf nicht absehbare Zeit vor enorm große Herausforderungen, da die vorhandenen gemeindlichen Unterkünfte bereits vollkommen ausgelastet sind. Unser großes Glück ist es, dass dankenswerterweise weiterhin viele Niederziererinnen und Niederzierer ihren privaten Wohnraum für Ukrainerinnen und Ukrainer zur Verfügung stellen und dass die Kirche uns die Pfarrheime in Hambach und Oberzier zur Verfügung gestellt hat.

Aber wie lange noch? Solange uns von der Bezirksregierung Flüchtlinge zugewiesen werden, ist es unsere Pflicht, für diese Personen menschenwürdige Unterkünfte bereitzustellen. Daher ist es unvermeidlich, schnellstmöglich weiteren Wohnraum im Gemeindegebiet zu schaffen.

Zum Ertragshaushalt 2023: 

Erträgen in Höhe von 49,1 Millionen Euro stehen im Jahr 2023 Aufwendungen in Höhe 47,8 Millionen Euro gegenüber.

Die bedeutendsten Aufwendungen im Jahr 2023 sind:

  • Die Personalaufwendungen in Höhe von 12,3 Millionen Euro; diesen stehen aber auch Personalkostenerstattungen in Höhe von rd. 6 Millionen Euro (vor allem durch den Trägerverein Tageseinrichtungen für Kinder, die MILAN als interkommunale Vergabestelle, den Schulverband Niederzier-Merzenich sowie durch die landesseitige Finanzierung der Strukturwandelmanager und des noch einzustellenden Klimaschutzmanagers) gegenüber.
  • An den Kreis Düren zahlen wir in 2023 voraussichtlich rd. 17 Millionen Euro. Im Doppelhaushalt des Kreises ist für 2023 eine Beibehaltung des Hebesatzes der allgemeinen Kreisumlage, aber eine Erhöhung der Jugendamtsumlage vorgesehen. Durch die eingangs erwähnte hohe Schlüsselzuweisung des Landes steigt aber wieder die Umlagegrundlage der Gemeinde Niederzier und somit ist wieder mehr an den Kreis Düren zu zahlen.

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang daran erinnern, dass es nach wie vor das Ziel der Gemeinde Niederzier ist, die Kindergärten in gemeindlicher Trägerschaft zu behalten. Dazu werden seit vielen Wochen große Anstrengungen unternommen, um die Kindertagesstätten in eine andere gemeindliche Trägerform umzuwandeln.

  • Für die Instandhaltung des gemeindlichen Infrastrukturvermögens (Gebäude, Straßen, Brücken, Wege, Grünflächen, Dorf- und Festplätze sowie Sportanlagen) sieht der Haushalt Mittel in Höhe von rd. 3,5 Millionen Euro vor. Damit sorgen wir dafür, dass es zu keinen Investitionsstaus kommt.
  • Die Freiwilligen Aufwendungen (Finanzierung Musikschule, Bürgerhäuser, Sportanlagen, Kultur- und Seniorenveranstaltungen, Amtsblatt, Vereinszuschüsse u.v.m.) der Gemeinde Niederzier betragen in 2023 rd. 1,2 Millionen Euro und damit nur 2,53 % der Gesamtaufwendungen der Gemeinde.

Die Liste der freiwilligen Aufwendungen ist dem Haushaltsentwurf beigefügt.

  • Für die Unterhaltung der Gewässer und der Kläranlagen muss die Gemeinde Niederzier über 2 Millionen Euro an den Wasserverband Eifel-Rur und an den Erftverband zahlen.

Die bedeutendsten Erträge im Jahr 2023 sind:

  • Schlüsselzuweisungen des Landes mit einmalig rd. 8,3 Millionen Euro,
  • Gewerbesteuer mit rd. 8,0 Millionen Euro,
  • Einkommensteuer mit rd. 8,0 Millionen Euro,
  • Erstattung von Sach- und Personalkosten mit rd. 6 Millionen Euro,
  • Grundsteuer A und B mit rd. 3,2 Millionen Euro,
  • Erträge aus der Veräußerung von Grundstücken mit rd. 2 Millionen Euro und
  • Umsatzsteuer mit rd. 1,3 Millionen Euro.

Die vorgenannten Erträge beinhalten mit einmalig hohen Schlüsselzuweisungen (rd. 5 Millionen Euro mehr als in Normaljahren) und den Erträgen aus der Veräußerung von Grundstücken Erträge, die der Gemeinde Niederzier nicht immer zum Haushaltsausgleich zur Verfügung stehen. Wir sprechen hier also von Einmaleffekten bzw. Sondereffekten!

Es muss daher weiterhin unbedingtes Ziel sein, den Haushalt der Gemeinde strukturell auszugleichen. Dies bedeutet, der Haushalt muss auch ohne die Sondereffekte ausgeglichen dargestellt werden, um nicht Gefahr zu laufen, die Allgemeine Rücklage in zwei aufeinander folgenden Jahren um mehr als 5 Prozent in Anspruch nehmen zu müssen und dann in die Pflicht zu kommen, ein Haushaltssicherungskonzept mit all seinen Einschränkungen aufzustellen. Muss die Gemeinde ein Haushaltssicherungskonzept aufstellen, hat dies zur Folge, dass alle freiwilligen Aufwendungen (Finanzierung Musikschule, Bürgerhäuser, Sportanlagen, Kultur- und Seniorenveranstaltungen, Amtsblatt, Vereinszuschüsse u.v.m.) massiv reduziert oder sogar gänzlich gestrichen werden müssen!

Wie bereits angekündigt, hat inzwischen die Gemeindeprüfungsanstalt unter anderem mit der Prüfung der Finanzen der Gemeinde Niederzier begonnen. Diese Prüfung erfolgt bekanntermaßen regelmäßig. Die Feststellungen und Empfehlungen dieser Prüfung sollten dann in Zukunft konsequent umgesetzt werden, um den Haushalt der Gemeinde zu stabilisieren.

Ich komme zu den wesentlichen Investitionen im Jahr 2023:

  • Vermarktung von zwei Baugebieten,
  • Erschließung von zwei Baugebieten und der Erweiterung eines Gewerbegebiets,
  • Weiterer Grunderwerb zwecks Erschließung von Baugebieten,
  • Planungskosten für den Bau einer Bürgerbegegnungsstätte,
  • Fertigstellung eines Anbaus an die KGS Hambach (für OGS),
  • Fertigstellung eines Kindergartens in der Ortschaft Hambach,
  • Erweiterung P&R Parkplatz Bahnhof Krauthausen,
  • Notwendige und pflichtgemäße Schaffung von Wohnraum für Asylsuchende,
  • Erneuerung von Straßenzügen (Asphaltdecke),
  • Schaffung weiterer Parkplätze,
  • Anschaffung von Fahrzeugen für die Feuerwehr,
  • Schaffung von Netzersatzanlagen für den Katastrophenfall und
  • Errichtung weiterer Urnenwände oder Urnenstelen.

Weiter konsequent verfolgen wir das Ziel, für die Gemeinde ein Stadtentwicklungskonzept und daraus folgend ein „Integriertes Städtebauliches Entwicklungskonzept“ (ISEK) aufzustellen. 

Das durch die Corona-Pandemie gezwungenermaßen unterbrochene Verfahren wird inzwischen durch die Stabstelle für Zukunft und Innovation mit den beiden Strukturwandelmanagern in Zusammenarbeit mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Bauabteilung wieder vorangetrieben. Denn nur so kann die Gemeinde in Zukunft Fördergelder für große Investitionsmaßnahmen in die Infrastruktur akquirieren und damit Maßnahmen umsetzen, die ansonsten nur durch Darlehensaufnahmen möglich wären.

Es war richtig, Personal für die Fördermittelakquise zur Verfügung zu stellen, denn es zeigt sich, dass man für die Vielzahl der Förderprogramme mit jeweils höchstindividuellen und komplexen Förderbedingungen Fachwissen und Netzwerke braucht, um Erträge zu generieren. 

Durch die Beteiligungen in der Neuland Hambach GmbH und in der Indeland GmbH gestalten wir weiterhin aktiv die Tagebaufolgelandschaft. 

Weiterhin hoffen wir, dass die in Aussicht gestellten Strukturwandelmittel, auch endlich im Tagebauumfeld ankommen. Dies ist zwingend notwendig, um Ersatzarbeitsplätze schaffen zu können.

Durch unsere Beteiligung an der Brainergy-Park Jülich GmbH haben wir gemeinsam mit den Kommunen Jülich und Titz einen großen Schritt gemacht, um künftig zusätzliche Gewerbesteuerzahlungen zu genieren und natürlich auch hier Arbeitsplätze zu schaffen.

Fazit und Ausblick:

Es führt kein Weg daran vorbei, dass die Gemeinde Niederzier in nächster Zeit Aufwand reduzieren und Erträge erhöhen muss, um in Zukunft wieder einen strukturell ausgeglichenen Haushalt darstellen zu können! Dies bedeutet, dass die Erträge die Aufwendungen zumindest erreichen bzw. im besten Falle ohne Einmaleffekte (z.B. Gewerbesteuernachzahlungen oder einmalig hohe Landeszuweisungen) übersteigen müssen.

Abschließend weise ich nochmals darauf hin:

  • Es ist nicht mehr zu erwarten, dass die Gemeinde wie in der Vergangenheit regelmäßig große Gewerbesteuerzahlungen eines Hauptsteuerzahlers erhält.
  • Um eingehende Rechnungen und bestehende sonstige finanzielle Verpflichtungen bezahlen zu können, werden neben den eingehenden Einzahlungen (Steuern, Zuweisungen, Gebühren etc.) die Liquiditätskredite (im privaten Bereich = Dispositionskredite) in Anspruch genommen.
  • Die Liquiditätskredite / Schulden in Höhe von rd. 14 Millionen Euro müssen noch zurückgezahlt werden!

Diese Hypothek, diese Last sollten wir nicht nur den späteren Generationen, sprich unseren Kindern, überlassen!

Trotzdem und selbstverständlich wollen WIR in Niederzier weiter 

  • eine attraktive, 
  • eine l(i)ebenswerte sowie 
  • eine soziale Kommune bleiben,

in der JEDE und JEDER seinen Platz finden soll, egal woher SIE oder ER kommt.

WIR wollen weiterhin 

  • vorbildliche Jugend- und Seniorenarbeit leisten,
  • gute Schul- und Kindergartenangebote vorhalten,
  • die Vereine und Vereinigungen unterstützen, damit deren Angebot vielfältig bleibt,
  • die vielen engagierten, ehrenamtlich tätigen Menschen in den gemeindlichen Vereinen, in der Feuerwehr, in der Flüchtlingshilfe sowie nicht zuletzt auch in der Politik unterstützen.

Nur GEMEINSAM können und WERDEN WIR die vielfältigen Aufgaben und Herausforderungen der nächsten Jahre meistern!

Ich bitte den Haushaltsentwurf, der Ihnen liebe Ratskolleginnen und Ratskollegen zugeleitet wird, zu sichten und zu beraten. 

In der nächsten Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses am 09.11.2022 wird der Haushaltsentwurf vorberaten und in der Sitzung des Gemeinderates am 15.12.2022 dann hoffentlich beschlossen.“

Ihr
Frank Rombey
Bürgermeister

Erläuterungen und Hinweise

Bildnachweise

  • Gemeinde Niederzier